Ab 1800 wurde kaum noch gebrannt, dafür umsomehr geätzt. Beliebt war der sog. Höllenstein, der, wie der Name bereits andeutet, alles "teuflische" wegbrennt. Als man noch den Stein der Weisen (lapis philosophorum) suchte, war es gängig, "Steine" in dieser Weise zu bezeichnen:
- Lapis Lazuli (Lazurstein, Schmuck- u. Siegelstein).
- Lapis causticus (Seifenstein, Ätznatron oder -kali (NaOH, KOH)).
- Lapis infernalis (Höllenstein, Silbernitrat).
(Aus Robert Wolf, Die Sprache der Chemie, Zur Entwicklung und Struktur einer Fachsprache, Dümmler Verlag Bonn, 1971).
Herstellung des "Lapis infernalis" im Labor
Der chemische Stoff Silbernitrat (argentum nitricum, englisch: silver nitrate) AgNO3 wird hergestellt, indem Silber in konzentrierter Salpetersäure aufgelöst wird:
3Ag + 4HNO3 --> 3AgNO3 + 2H2O + NO.
Das dabei entstehende Stickstoffoxid (NO) geht bei der Berührung mit der Luft in rotbraunes, giftiges und stechend riechendes Stickstoffdioxid (NO2) über. Silbernitrat ist ein starkes Oxidationsmittel. Es kann organisches Gewebe angreifen, wobei Silberionen zu elementarem Silber reduziert und das organische Material oxidiert wird. Silbernitrat bildet farblose, tafelförmige Kristalle, kommt aber auch als weisses, kristallines Pulver in den Handel. Silbernitrat ist eine kristalline Verbindung, die beim Auflösen von Silber in Salpetersäure entsteht. Es ist sehr leicht löslich in Wasser und Ethanol: Schmelzpunkt bei 209°C; bei Erhitzen auf etwa 440°C erfolgt Zersetzung unter Abscheidung von metallischem Silber und Abgabe nitroser Gase. Es muss gut verschlossen und vor Licht geschützt in braunen Glasflaschen gelagert werden, da bereits geringe Staubmengen ausreichen, um Silbernitrat unter Lichteinwirkung zu feinverteiltem Silber zu reduzieren. Sehr reines Silbernitrat ist dagegen nicht lichtempfindlich.
Verwendung:
Silbernitrat flockt Eiweiß unter Bildung von Silberalbuminat aus. Bei Hautkontakt bilden sich daher rasch schwarze Flecken - die vermutlich zu dem Namen "Höllenstein" führten. Das Silbernitrat frass nicht nur überstehendes Gewebe, sog. "Wildes Fleisch", sondern auch den Stift, in den er eingelassen war, insbesondere die Lötstellen. Daher die zunehmende Verwendung von Holzfassungen.
Silbernitrat wurde früher zur Behandlung der Epilepsie (Fallsucht) benutzt und führte in einer chemisch-toxischen Dose gegeben zu bleifarbener Hautpigmentierung, der sogenannten Argyrie. Früher war Silbernitrat in Form von Pillen in der Behandlung des Magengeschwürs (Ulkus ventriculi und duodeni) gebräuchlich und der im Ersten Weltkrieg verstorbene Paul Ehrlich fügte Silberatome dem ersten Mittel gegen die Geschlechtskrankheit Syphilis - dem arsenhaltigen Salversan - bei, welches er Silbersalversan nannte. Höllenstein wurde früher hauptsächlich zur Prophylaxe von Tripper (der bei der Mutter vorgelegen haben könnte) Säuglingen kurz nach der Geburt in die Augen geträufelt, was wahrscheinlich höllisch weh tat (Höllenstein). Man nannte dies auch die CREDE`sche Prophylaxe. Die möglicherweise nachfolgende, "chemische" Konjunktivitis mit z.T. massiver eitriger Sekretion war nicht selten und bedeutete oft eine erhebliche Irritation des Kindes und eine Beunruhigung der Mutter. Die Credé´sche Prophylaxe mit Silbernitrat verhinderte nicht die Konjunktivitis durch andere Erreger wie Staphylokokken oder Haemophilus influenzae oder Chlamydia trachomatis, sondern wirkte nach schulmedizinischer Auffassung lediglich gegen Gonokokken.
Auch heutzutage wird Silbernitrat in der Dermatologie als Umschlag mit einer 0,1-5%igen Lösung verwendet und als Augentropfen (0,5 - 1,0%ig) zum Schutz vor Erblindung bei Neugeborenen bei einer mutmaßlichen Ansteckung der Mutter mit Gonorrhoe benutzt. In der Medizin kommt Silbernitrat ferner eingesetzt als Antiseptikum und Adstringens (als 0,5%ige Lösungen zur lokalen Behandlung).
Uns interessiert hier die ätzende Wirkung des Höllensteins, die Anwendung findet bei der Behandlung von Hautwucherungen, Geschwüre und Warzen. Stäbchen aus Silbernitrat + Kaliumnitrat kommen als "Höllenstein" zum Einsatz, beispielsweise zum Entfernen wuchernden Gewebes oder zum Verätzen von Warzen. Ende des 18., Anfang des 19. Jh. waren die Stifte in eine Haltevorrichtung aus Silber eingelassen – das Ganze schaute aus wie ein Bleistift: 10 cm. Länge, mit Schraubverschluss.